tres camenzind, fotograf

und grün wie der Himmel - Laudatio Fridolin Walcher

Und grün wie der Himmel
Laudatio zur Ausstellungseröffnung im Bsinti, Braunwald 2020

Wohin, liebe Gäste hat sie die Reise mit Bildern und Klängen geführt gerade eben? 
(Die Klänge des Perkussionisten Gabriel Schiltknecht während der Vernissage - Anmerkung Red.)

Es sind genau die Bilder, die nach einem Streifzug durch den Wald in meinem Kopf auftauchen, wenn ich die Augen schliesse» «Innere Bilder, die mein Erleben von Licht und Schatten, von Stimmung und Gerüchen zu einem einzigen Bild werden lassen. Es kratzen mich Dornen, Brennnesseln brennen mich spürbar, es flimmert und gleisst im direkten Licht und gleichzeitig versinke ich in unlesbarer Finsternis. 
Denn Erinnerungen sind komprimierte Bilder: wir setzen einen ganzen Film von Erlebtem zu einem Bild zusammen, überlagert und dicht. Zu mehr hat unsere Festplatte die Kapazität gar nicht. 
Dieses Bild aber besteht nicht nur aus Farben und Linien, es ist verwoben mit Empfindungen, Geräuschen, taktilen Begegnungen, mit Emotionen wie Hoffnungen und Aengsten. 

Ich war kürzlich mit einer Gruppe Menschen für einen Rückzug im Wald. In einer Sequenz haben sie - jeder für sich – einen Streifzug durchs Dickicht gemacht und für sie berührende Dinge gesammelt. Ich war üeberrascht, wie viele von ihnen nachträglich über ihre Erlebnisse als Kind im Wald gesprochen haben. Weil wir als Kinder unmittelbar berührbar waren, mehr im Jetzt.? 
Wenn es mir als 4-5 jähriger hier oben im Heuerberg zu viel wurde mit Mutter, Schwester und Gästen, bat ich jeweils meine Mutter mir den Rucksack für ein Picknick zu packen und verschwand im nahen Wald, wo ich mir und den Feen und Trollen begegnete. Dort konnte ich die Fühler ausstrecken und gleichzeitig bei mir sein. 
Nachts holen uns aber vielfach die unberechenbaren Geister ein in der Dunkelheit des Waldes. Ich kenne nur einen Menschen, der sich zu keinem Zeitpunkt sicherer fühlt, als nachts im Schutz der Dunkelheit des Waldes zusammen mit der lebendigen Präsenz der Bäume. 

Warum wohl haben wir, gerade in dieser Coronazeit wieder ein intensiveres Verhältnis zum Wald entwickelt? 

Berührend und neu, dass Tres Camenzind mit rein fotografischen Mitteln diese Bildsprache entwickelt, mit der er uns auf unsere inneren Reisen schickt und uns damit berührt. 
Wer ist dieser Tres und wie macht er das? Tres ist ein ganz normaler Fotograf, was das immer heisst bei uns Fotografen. Ich meine damit, er verdient seit seiner Ausbildung sein tägliches Brot mit Auftragsfotografie in soz. Institutionen, Spitälern, portraitiert verschiedenste Menschen, weniger Promis und Autowerbung. 
Daneben macht er seine freien Projekte: was mich beeindruckt: Da nimmt er das Wort frei wirklich wörtlich. Tres geht nicht nur von den Themen her in seine eigenen Welten, er experimentiert auch formal, bis es ihn selbst verbindet. Eine solche Arbeit haben wir nun vor uns. 
Und richtig: sie erinnern sich, wo sie Tres schon begegnet sind. Hier im Bsinti an der ersten Sommerausstellung 2013 unter dem Titel „Heimgeborenland“. Auch da hatte er seine inneren Bilder produziert zu seiner Herkunft und Kindheit im Urserental, das er während des Umbaus durch Sawiris durchstreift hat und dort, wo es emotional wurde, in Bildern verharrt ist. 
Tres, verrate uns: Als Fotografen sind wir ja beauftragt Wirkliches abzubilden. Was treibt dich an, in deinen freien Arbeiten eigentlich nicht abbildbare Innenwelten abzubilden und damit dein Handwerk zu erweitern? Als Auftragsfotograf gehe ich nur bei bedecktem Himmel in den Wald zum Fotografieren. Die Lichtunterschiede zwischen Sonne u Schatten sind im Wald gar nicht händelbar. Was reizt dich gerade an diesem unlösbaren? 

Liebe Gäste, ich kann Sie nur ermuntern, tauchen sie ein in die emotionalen Waldwelten immer wieder hier im Bsinti oder draussen im Dunggelwald, im Schleimenwald, im Mattwald, im Eggwald oder im Bruuwald. 
Oder nehmen Sie eines dieser auch handwerklich äusserst sorgfältig hergestellten Bilder mit nach Hause. Sie sind als kleine Editionen erhältlich. 

Viel Vergnügen!

Fridolin Walcher am 20. Juni 2021 

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